23.08.2024 09:07

Sportmix


Ironman am Namenstag: Tillners 30-Jahr-Feier der besonderen Art

„Als ich das Datum nachgeschaut habe, kam ich aus der Nummer auch nicht mehr heraus (lacht)“ / Besondere Überraschungsgäste an der Laufstrecke
Tillner und Freunde Kalmar
Jan Tillner (ganz hinten) wurde von seinen Freunden beim Zieleinlauf überrascht. Foto: privat.

Ausgefallene, teilweise schon peinliche Kostüme. Traditionelle Bräuche wie fegen oder Klinken putzen. Und ordentlich Druckbetankung. Der 30. Geburtstag wird von vielen Menschen ganz besonders zelebriert. „Mit dem Ende der unbeschwerten Jugend tritt man nun dem Ernst des Lebens gegenüber“, könnte man klischeehaft fast sagen. Dass man den Eintritt in den neuen Lebensabschnitt aber auch ganz anders angehen kann, hat Jan Tillner am vergangenen Wochenende eindrucksvoll bewiesen. Normalerweise ist der Mittelfeldstratege der SG Großenwieden/Rohden/Segelhorst für seine fußballerische Laufbereitschaft beim SG-Trio aus Hessisch Oldendorf bekannt. Anlässlich seines Jubiläums hat der drahtige Kicker Herz und Lunge aber mal ganz anders aufs Äußerste getestet und exakt an seinem runden Namenstag einen Ironman im schwedischen Kalmar gefinished – und das ohne großartige Vorerfahrungen im Triathlon-Bereich. Kann man mal so machen.

Doch wie kam es überhaupt zu dieser doch sehr ungewöhnlichen Idee? „Ich habe immer mal mit dem Gedanken gespielt, vor meinem 30. Geburtstag einen Triathlon zu absolvieren, um einmal Teil dieser besonderen Atmosphäre zu sein. Ich mag die einzelnen Disziplinen: Laufen, Fahrrad fahren und beim Schwimmen gehe ich immerhin nicht unter“, lacht Tillner. Bei der Weihnachtsfeier der SG Großenwieden im vergangenen Winter kommt der Sportler dann mit  Florian Vogt ins Gespräch, der 2022 bereits einen Ironman in Kopenhagen absolviert und - vor allem – geschafft hat. Es stellt sich heraus: Vogt hat sich mit zwei anderen Sportbegeisterten bereits für den Langstrecken-Triathlon im diesjährigen August angemeldet, in Kalmar in Schweden. „Dann hat mich Florian gefragt, ob ich nicht auch Lust hätte mitzumachen. Als ich das Datum nachgeschaut habe, kam ich aus der Nummer auch nicht mehr heraus (lacht). Der 17. August – genau an meinem 30. Geburtstag“, erinnert sich Tillner.

Tillner Hamann Vogt Lachmann
Das Trainings-Quartett (v.l.): Jan Tillner, Marc Hamann, Florian Vogt & Lutz Lachmann. Foto: privat.

Gesagt, getan. Gemeinsam mit Vogt und den beiden erwähnten Mitstreitern, Marc Hamann und Lutz Lachmann, bildet der Mittelfeldmann eine Laufgruppe, intensiviert sein Training, holt sich Tipps. „Ich spiele mein Leben lang Fußball und würde schon sagen, dass ich fußballerisch fit bin. Trotzdem war es ja mein erster Triathlon-Wettkampf und somit eine Art Kaltstart“, verdeutlicht der Rohdener, der weiß, bei wem er sich zu bedanken hat: „Ohne die drei hätte ich diese Aktion niemals gemacht und erst recht nicht geschafft. Nur durch Marc, Florian und Lutz habe ich gewusst, worauf man achten muss, wie man sein Training strukturieren muss. Von daher bin ich den Dreien sehr, sehr dankbar für ihre Unterstützung.“
Die gemeinsame Vorbereitung zahlt sich aus. Aus der anfänglichen „Schnapsidee“ wird Wirklichkeit. So begibt sich Tillner passend zum Start am vergangenen Samstag an die Südostküste Schwedens. „Für mich bestand das Ziel einfach nur darin anzukommen. Deshalb bin ich den gesamten Wettkampf auch relativ locker angegangen. Ein ganz kleines Bisschen habe ich aber schon damit geliebäugelt, in unter zwölf Stunden zu finishen. Das war meine Traumvorstellung“, schwingt schon vor dem Takeoff ein ganz leichter Ehrgeiz beim Geburtstagskind mit.

Jan Tillner Medaille
Stolz wie Oskar: Jan Tillner. Foto: privat.

Schon früh am Morgen geht’s auf die 3,8km lange Schwimmstrecke, die Tillner und die anderen Athleten der insgesamt 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die Meerenge von Kalmar und die Gewässer der Ostsee führt – bei laut Veranstalter rund 20° Wasser- und ähnlicher Außentemperatur. Auch beim SGGRS-Kicker stimmt die Verfassung: „Ich bin gut reingekommen. Das Schwimmen lief ziemlich gut – zumindest für meine Verhältnisse.“ Entlang an der Küste und in unmittelbarer Nähe zu den Zuschauer geht’s im kühlen Nass schnell in Richtung Wechselzone. Als Tillner aus dem Wasser steigt, sind gerade einmal 75 Minuten rum.

Beim Tausch vom Schwimm- ins Radleroutfit sowie später auch vom Rad in die Laufschuhe lässt er sich Zeit. Klar, man will ja auch nichts falsch machen. „Weil ich eben nicht diesen Triathlon-Background habe, habe ich alles zwei- bis dreimal gecheckt, um bloß keinen Fehler zu machen“, bestätigt auch Tillner.

Auch auf der überwiegend ebenen 180km langen Drahtesel-Strecke quer über die Insel Öland samt doppelter Querung der berühmten Ölandbrücke hat der Ironman-Teilnehmer Glück, die Rahmenbedingungen sind ideal. „Gerade zu Beginn des Radfahrens bin ich gut getragen worden, denn ich hatte Rückenwind“, erinnert er sich. So vergeht Stunde um Stunde, bald befindet sich Tillner zurück auf dem Festland und nach insgesamt fünf Stunden und 37 Minuten ist auch die zweite Etappe geschafft.

Also runter vom Fahrrad, rein in die Laufschuhe und ab auf die 42,2 Kilometer lange Running-Strecke. Auch hier bleibt es überwiegend eben, während Tillner & Co. am Strand entlang, durch das Kalmarer Stadtzentrum und entlang der Stadtmauer am Västerport laufen. Wieder ist Tillner nach eigenen Angaben sofort im Tunnel, fühlt sich gut. Als er die erste der drei Laufrunden beendet und entlang der Kathedrale die Ziellinie kreuzen will, stutzt er aber kurz. „Ich habe dumpf meinen Namen gehört und mich umgeschaut“, erklärt der HO-Fußballer. Und tatsächlich: unter den Schaulustigen hinter der Absperrung befinden sich einige von Tillners Freunden und ehemaligen Fußball-Kameraden, die ihn lautstark anfeuern. „Das war eine Riesenüberraschung. Sie sind extra die rund 1000 Kilometer nach Kalmar gefahren, um mich zu überraschen. Ich habe das Ganze erst realisiert, als ich schon halb an ihnen vorbei war. Als ich sie dann gesehen habe, habe ich mich unglaublich gefreut. Ein mega cooles Gefühl!“

Tillner Finisher geschnitten
Er hat´s geschafft. Foto: privat.

Mit dem neuen Energieschub im Rücken gehen auch die verbleibenden zwei Runden leichter von der Hand. Sicherlich, leichte Magenprobleme stellen sich ein und auch die Rumpfmuskulatur meldet sich. „Das waren aber nur Kleinigkeiten, nichts Tragisches“, macht Tillner deutlich. Und so ist es nach exakt 11 Stunden, 13 Minuten und 31 Sekunden tatsächlich geschafft: ein letztes Mal geht es auf den Zieleinlauf an der Kathedrale. Unmittelbar vor den jubelnden Freunden und Fußball-Kameraden darf der genau 30-Jährige und nun Ironman-Finisher die Zielglocke läuten – als 90. seiner Altersklasse (M30-34) und insgesamt 608. der rund 2000 Teilnbehmerinnen und Teilnehmer.

„Ein unbeschreibliches Gefühl und ein 30. Geburtstag, den ich niemals vergessen werde – ganz besonders, weil meine Kumpels da waren“, erinnert sich Tillner, der auch mit seiner eigenen Leistung sehr zufrieden ist. Kein Wunder, wurde doch die „Traumvorstellung“ der Zwölf-Stunden-Marke um mehr als 45 Minuten unterboten. Eines wurmt den ehrgeizigen Sportler aber doch ein klein wenig: „Wenn man die Nadel im Heuhaufen suchen will, dann hätte ich den Marathon gerne in unter vier Stunden beendet.“ Knapp vier Minuten fehlten dem Athleten zu diesem Ziel am Ende. Ganz nebenbei: auch seine drei Mitstreiter halten durch, so darf am Ende gemeinsam gefeiert werden.

Auf die Frage, ob er nun Blut geleckt habe, antwortet Tillner allerdings: „Erst einmal ist kein anderer Triathlon geplant. Wenn ich daran noch einmal teilnehme, dann möchte ich mich auch sportlich verbessern. Das ist aber von dem enormen Zeitaufwand – gerade neben dem Fußball – so eigentlich nicht machbar. Aber wer weiß, vielleicht starte ich ja meine Ironman-Karriere nach dem Fußball (lacht).“ Und ansonsten wartet man einfach auf den 40. Geburtstag...
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Autor des Artikels

Robin Besser
Robin Besser
Robin kam am 01. August 2022 als fester Neuzugang ins Team AWesA, war zuvor als freier Mitarbeiter aktiv. Sein Herz schlägt für den Lokalsport und die Vereine im Weserbergland.
Telefon: 05155 / 2819-320
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